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Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung von EuGH für ungültig erklärt

Donnerstag, Juli 10, 2014

Der Europäische Gerichtshof stellte mit Urteil die Ungültigkeit der Richtlinie 2006/24/EG zur Vorratsdatenspeicherung von Daten fest:

„Sie beinhaltet einen Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten, der sich nicht auf das absolut Notwendige beschränkt.“[1]

 

Dem Gerichtshof zufolge können aufgrund des Umfanges der gesammelten Daten,

sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Personen, deren Daten auf Vorrat gespeichert werden, gezogen werden, etwa auf Gewohnheiten des täglichen Lebens, ständige oder vorübergehende Aufenthaltsorte, tägliche oder in anderem Rhythmus erfolgende Ortsveränderungen, ausgeübte Tätigkeiten, soziale Beziehungen und das soziale Umfeld.[2]

 

Unter anderem kritisiert der EuGH, dass der Unionsgesetzgeber im Zuge des Erlasses der Richtlinie jene Grenzen „überschritten“ habe, die „zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit[3] einzuhalten seien.

Weiters stellte der EuGH fest, dass zwar dem verfolgten Ziel der Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung von Daten entsprochen wird, dennoch

beinhaltet sie einen Eingriff von großem Ausmaß und von besonderer Schwere in die fraglichen Grundrechte, ohne dass sie Bestimmungen enthielte, die zu gewährleisten vermögen, dass sich der Eingriff tatsächlich auf das absolut Notwendige beschränkt.[4]

 

Dies aus dreierlei Gründen:

  1. Die Reichweite der Begrifflichkeit der „schweren Straftaten“ der Richtlinie sei zu weitläufig, da sowohl sämtliche Personen als auch elektronische Kommunikationsmittel und Verkehrsdaten, ohne Vorliegen irgendeiner „Differenzierung, Einschränkung oder Ausnahme anhand des Zieles der Bekämpfung[5] solcher Straftaten, erfasst werden.
  2. Die Richtlinie enthalte weder materiell- noch verfahrensrechtliche Voraussetzungen für den Zugang der zuständigen nationalen Behörden zu den Daten und deren Nutzung. Zusätzlich unterliege der Zugang zu den Daten keiner vorherigen Kontrolle durch eine unabhängige Verwaltungsstelle oder ein Gericht.
  3. Hinsichtlich der Dauer der Vorratsdatenspeicherung der Daten schreibt die Richtlinie einen allgemeinen – ohne jegliche Unterschiede bezüglich Datenkategorien oder Nutzung der Daten – Zeitraum von mindestens sechs Monaten vor. Die Speicherungsfrist von sechs bis vierundzwanzig Monaten sei im Lichte dessen deutlich überschießend, vor allem aufgrund des Fehlens von objektiven Kriterien, „die gewährleisten, dass die Speicherung auf das absolut Notwendige beschränkt wird.[6]

 

Das Nichtvorliegen hinreichender Garantien, „dass die Daten wirksam vor Missbrauchsrisiken sowie vor jedem unberechtigten Zugang und jeder unberechtigten Nutzung geschützt sind[7], hat darüber hinaus weitgehende Kritik erfahren.

Schließlich hielt der Europäische Gerichtshof fest,

dass die Richtlinie keine Speicherung der Daten im Unionsgebiet vorschreibt.“[8]

 

Dh die gegenständliche Richtlinie halte der ausdrücklichen Forderung der Charta nicht Stand, die Einhaltung der Erfordernisse des Datenschutzes und der Datensicherheit durch eine unabhängige – agierend als überwachende – Stelle zu gewährleisten. Insofern widerspreche dieser Umstand den Prinzipien der Charta hinsichtlich der Wahrung des Schutzes der Betroffenen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten.

 

In weiterer Folge hatte der Verfassungsgerichtshof die österreichische Umsetzung (vom April 2012) der nun aufgehobenen Richtlinie zu prüfen. Der Verfassungsgerichtshof erklärte die Vorratsdatenspeicherung für „verfassungswidrig“ und „unverhältnismäßig“. Nach der Ansicht des Verfassungsgerichtshofes widersprechen die Passagen zur Vorratsdatenspeicherung im Telekommunikationsgesetz, in der Strafprozessordnung sowie im Sicherheitspolizeigesetz sowohl dem Grundrecht auf Datenschutz, als auch Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Recht auf Privat- und Familienleben. Künftig ist die umstrittene Form der Datensammlung und -speicherung nun vorbei, dennoch könnte aufgrund vor allem technischer Voraussetzungen die Löschung der bisher gespeicherten Daten dauern. In seiner Entscheidung folgte der Verfassungsgerichtshof dem Europäischen Gerichtshof und statuierte eine „Unverhältnismäßigkeit“ der angewandten Mittel. Nach erfolgter Kundmachung durch den Bundeskanzler ist die Vorratsdatenspeicherung schließlich außer Kraft. Inzwischen läuft von Seiten des Justiz- und Innenministeriums die Suche nach möglich Alternativen, bei denen die Speicherung von Verbindungsdaten eines begrenzten Personenkreises, bei Vorliegen eines dringenden Tatverdachts erfolgt.

 

[1] Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilung Nr 54/14 zum Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-293/12 und C-594/12; Seite 1

[2] Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilung Nr 54/14 zum Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-293/12 und C-594/12; Seiten 1, 2

[3] Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilung Nr 54/14 zum Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-293/12 und C-594/12; Seiten 2

[4] Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilung Nr 54/14 zum Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-293/12 und C-594/12; Seiten 2

[5] Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilung Nr 54/14 zum Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-293/12 und C-594/12; Seiten 2

[6] Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilung Nr 54/14 zum Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-293/12 und C-594/12; Seiten 2 und 3

[7] Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilung Nr 54/14 zum Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-293/12 und C-594/12; Seite 3

[8] Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilung Nr 54/14 zum Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-293/12 und C-594/12; Seite 3

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